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Adria Meilentörn - Teil 2
Ich gewöhnte mich schnell an meinen neuen Aktionsradius. An guten Tagen waren problemlos 50 Kilometer drin. Bei schwachen, wechselnden Winden 40 Kilometer. Gegenwind oder Flaute: 30 Kilometer.
Es gab Tage, an denen es schon morgens schwül und dunstig war. Dann fand ich mit meinem kleinen Kompass den
Punkt auf der gedachten Linie, an der sich das Blau des Himmels mit der dunkleren Farbe des Wassers mischte
und hielt mit dem Paddel darauf zu, nicht ungeduldig, weil sich Wind und Wellen mehrmals täglich ändern würden.
An anderen Tagen wehte der Wind Schaumkronen von den Wellenkämmen. Dann balancierte ich das Boot kniend aus
und band Reffs ein, nicht ängstlich, weil ich das Verhalten meines gedeckten Segelkanus im Seegang kannte und
wusste, was zu tun war.
Ich fand heraus, dass das Boot gegen Wind und Welle alles Tuch brauchte, das es tragen konnte, und zusätzlich
half ich dem Kanu mit dem Paddel über die Wellenkämme, bis es so hart in die Wellentäler patschte, dass ich Angst
bekam, der Mast würde sich durch den Rumpf bohren. Ab und zu flutete eine Kreuzsee das Deck bis zu den
Cockpitabdeckungen.
Mit Wind von hinten reffte ich früh und steuerte sorgfältig die Wellen aus, die unter
dem Boot durchliefen, damit das Kanu nicht querschlug.
Und dann gab es Stunden, in denen ich einfach nur im Cockpit sass, das Kind dicht neben mir, der Bugwelle zuhörte und fühlte wie der Wind das Segel streichelte, und wenn ich daran zurückdenke, waren es wohl die besten. Oft sass ich so lange bewegungslos, bis ich die See atmen spürte wie ein grosses Tier und dachte mein gerades Kielwasser über jenen Horizont hinaus, hinter dem die Lebewesen, die Zeit und die Dinge eins werden.
So war ich den ganzen Tag im Mittelpunkt meiner eigenen kleinen Welt unterwegs und sah die Inseln an mir vorüberziehen, bewachsen mit Flaumeichen, Aleppokiefern und Pinienwäldern, die in der Sonne dufteten, und Zikaden darin. Auf den Hängen stand immergrüne Macchia mit Wachholder, Lavendel und Rosmarinbüschen, ab und zu ein verwilderter Olivenhain. In den Gärten blühte die japanische Papierblume an den Steinmauern. Es war Sommer, wie es nur in südlichen Ländern Sommer sein kann, und es war herrlich.
Ab fünf hielt ich nach einem Stück Strand Ausschau, um auszusteigen und das Boot zu trocknen. Ich fand das andere Kroatien abseits der Touristenströme, unbewohnte Inseln und einsame Strände, und schon dieser Fund war eine ganze Reise wert. Abends war Zeit zum Baden, Kochen und Tagebuchschreiben. Oft fuhr ich bei Sonnenuntergang in Gedanken die Reise nochmal ab, mit einem Finger auf dem dünnen Bleistiftstrich der Karte. Das Kind spielte am Strand am liebsten mit Ästen und Strandgut, machte abstrakte Skulpturen daraus oder baute Steintürme. Die Nächte im Boot unter den Sternen waren ein Traum, und die nächtlichen Gewitter fast so gut wie Kino. Nur die Mücken waren ein Problem, obwohl ich Autan® dabei hatte. Das Kind träumte von einem Moskitonetz über dem Boot, und ich versprach, ihm für die nächste Reise eines zu bauen.
Dann wurde es heiss, so heiss, dass ich beim Paddeln einen Hitzeschlag fürchtete. Aber das Kind wusste Rat:
- Deine Mütze funktioniert ganz prima mit Seewasserkühlung: sagte es.
Und so zog ich die Mütze in den wärmsten Stunden des Tages durch das Seewasser und setzte sie patschnass
wieder auf. Es half. Wasser wurde zu einem Problem, weil ich etwa fünf Liter am Tag verbrauchte.
Alle zwei Tage musste ich einen Campingplatz oder Supermarkt finden, um frisches Wasser zu bunkern.
Noch eine Geschichte? Gern. Ich legte nach zwei Tagen Gegenwind total erschöpft in Viganj, Pelješac, am Strand an und fand dort Nelly aus München. Oder fand Nelly mich? Auf jeden Fall war sie schneller mit einer kühlen Wasserflasche am Strand als ich ausgestiegen war, und noch nie hat Wasser so gut geschmeckt. Meinen Tiefpunkt hatte ich durch die kalte Dusche in ihrem Garten und etwas Suppe auf der Terasse schnell überwunden, und bekam von ihrem Mann Paul noch eine geniale Idee für eine verbesserte Schwerthalterung mit. Den beiden einen herzlichen Dank, guten Wind und Glück auf ihren Wegen.
In Dubrovnik zog ich das Boot an einem niedrigen Pier im Hafen Gruž an Land und stellte es auf den Kanuwagen.
Da war eine Hafenwirtschaft mit schattigen Tischen. Ich setzte mich und bestellte ein kleines Bier.
- Aaaah. Ožujsko ist doch besser als Karlovacko: sagte ich.
- Wenn du meinst: sagte die Kinderstimme. - Und sonst so?
- Segelkanu ist wie wenze fliegst: sagte ich.
- Ja: sagte die Stimme. - Übrigens, du könntest jetzt mit diesem breiten Grinsen aufhören. Die Leute gucken schon.
Ich sah auf. An dem gegenüberliegenden Pier lag ein gigantisch grosses Traumschiff und nahm Passgiere an Bord.
- Ich bin ein riesengrosser alberner Kindskopf: sagte ich, nahm die Müze ab und warf sie auf den Tisch.
- Das hätten wir auch einfacher haben können. Warum habe ich nicht eine Kreuzfahrt gebucht, wie alle anderen auch?
- Weil eine Reise in einem kleinen Boot ein grosses Abenteuer ist! sagte die Stimme.
Dem war wenig beizufügen.
- Was machen eigentlich die Schmerzen in deiner Schulter: fragte die Stimme.
Ich bewegte die Schulter in alle Richtungen, erst vorsichtig, dann stärker.
- Sie sind weg: sagte ich erstaunt. - Weg. Einfach weg.
Infos und Törndaten
Die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände waren: einfache Lederhandschuhe, die ich mit Vaseline weich und
geschmeidig hielt, eine Schirmmütze mit Nackenschutz, Sonnenbrille und ein leichtes T-Shirt mit langen Ärmeln.
Ohne mein leichtes Carbonpaddel mit sehr grossem Blatt und dem
Hugh Horton Venice Kanusitz wäre ich nicht so schnell so weit gekommen.
Wem diese Art zu reisen nicht zusagt, für den legt am Kai von Dubrovnik jeden Tag ein anderes Traumschiff ab, und manchmal sogar zwei.
Datum | Wegstrecke | Distanz | Wind |
01.08.2015 | Icici - Cres, Bucht bei Loznati | 47,06 km | Nordwest 3-4, dann Flaute |
02.08.2015 | Cres, Bucht bei Loznati - Pag, Bucht nördlich von Novalja | 54,76 km | Schwachwindig aus wechselnden Richtungen, dazwischen Flaute |
03.08.2015 | Pag, Bucht nördlich von Novalja - Privlaka Camping | 43,64 km | Flaute vormittags, frischer Nordwest nachmittags |
04.08.2015 | Privlaka Camping - Bibinje Camping | 27,67 km | Flaute vormittags, frischer Nordwest nachmittags |
05.08.2015 | Bibinje Camping - Bucht bei Tribunij | 54,35 km | Morgens schwacher, abends kräftiger Nordwest |
06.08.2015 | Bucht bei Tribunij - Drvenik Veli | 50,67 km | Morgens frischer, nachmittags starker Nordwest (ca. 5 Bft.) |
07.08.2015 | Drvenik Veli - Hvar, Milna Camping | 54,79 km | Morgens schwacher, nachmittags mässiger West |
08.08.2015 | Hvar, Milna Camping - Scedro Ostküste | 19,02 km | Morgens Flaute, nachmittags mässiger Nord |
09.08.2015 | Scedro Ostküste - Bucht bei Loviste, Pelješac | 28,77 km | Sehr kräftiger Süd |
10.08.2015 | Bucht bei Loviste, Pelješac - Bucht nördlich von Postup | 21,38 km | Kräftiger Süd. |
11.08.2015 | Bucht nördlich von Postup - Camping bei Fährenanleger Ston | 42,28 km | Flaute, schwacher Südwest, dann Nord, dann Flaute |
12.08.2015 | Camping bei Fährenanleger Ston - Dubrovnik | 40,08 km | Schwacher Südwest |
Haftungshinweis
Große Reisen mit kleinen Booten können gefährlich sein. Exzellente Seemannschaft,
gepaart mit Vorsicht und der realistischen Einschätzung der
eigenen Möglichkeiten und Grenzen sind für den Erfolg solcher Unternehmungen entscheidend.
In diesem Revier sollte man nicht ohne einem guten aktuellen Wetterbericht unterwegs sein.
Ich kann für Ihre eigenen Unternehmungen auf dem Wasser nicht haften!
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