Beale Boat Show - Teil 1
- Wie war's denn: fragst du.
- Das willst du gar nicht wissen: sage ich.
- Doch, ehrlich: sagst du. - Erzähl doch mal.
Zwischen Goring und Pangbourne ist das Tal der Themse ein flacher, grüner Schlauch. Der Fluss zieht träge, dunkel und
verträumt durch ein Blättergewirr, in dem die Sonne Muster zeichnet und die Eichhörnchen spielen. Es ist so einsam, der
Tritt eines unvermuteten Spaziergängers scheucht Enten auf, lässt sie quakend über den Fluss fliegen,
die Schwimmfüsse ziehen beim Landen glitzernde Furchen durchs Wasser. Da gibt es einen Weiher, durch eine Schwingbrücke
getrennt, vom Schafwiesen gesäumt, die Bäume spiegeln sich darin, vorüberziehende Wolken.
Am Wochenende der Beale Boat Show ist da der Teufel los.
Als ich am Abend vor der Eröffnung mit dem Auto auf die Wiese bog, arbeiteten die Aussteller fleissig an ihren Zelten.
Der Faltbootverkäufer hämmerte Bootsgerippe zusammen. Nur der Platz
des Editors, der mich eingeladen hatte, lag leer. Das Mobiltelefon klingelte in meiner Tasche. Er war's:
- Da war ein Stau, und ausserdem hat mich was aufgehalten. Aber eben. Jetzt muss ich hier übernachten, bin morgen um
acht da. Hab aber ein klasse Zelt und Campingstühle organisiert. Alles klar?
- Ja: sagte ich lahm, und erinnerte mich an sein Versprechen von gemeinsamem Abendessen und Bier. - Bis morgen um acht.
Wer am Morgen um acht nicht da war, war der Editor. Stattdessen fuhr ein etwas verbeultes Auto mit Anhänger auf die
Wiese. Eine umfängliche Frau und ein magerer Mann stiegen aus.
- Du musst Axel sein. Ich bin Bill, das ist Lucy (Namen geändert, d. A.). Wir sind die mit den Sägen: sagte der Mann
mit kameradschaftlichem Grinsen und einem Seitenblick auf das Boot. - Hast du schon einmal eine japanische Säge probiert?
- Ich hab seit fünfzehn Jahren eine: sagte ich und stellte mich schützend vor das Boot. Bill schien etwas
enttäuscht, grinste aber weiter.
- Eure schau ich mir gern an: sagte ich. - Aber zuerst, denke ich, sollten wir euer Zelt und
eure Werkbank aus dem Anhänger laden und aufbauen.
Als wir fertig waren, war auch der Editor da. Er lud Fototaschen aus und schraubte ein Riesenobjektiv auf seine Kamera. Ich hob das Boot auf zwei Sägeböcke und zog das Segel hoch. Es war kalt.
- Jemand Tee? sagte Bill und grinste. Er holte dampfende grosse Plastikbecher vom Stand um die Ecke. Die Wärme rann
die Kehle hinunter, schlug im Magen auf.
- Das Korn für das Bier vom Stand da drüben kommt aus der Region, das hilft den Bauern: sagte der Editor. - Nur der Tee
wächst halt hier nicht an, absolut schade.
Am Nachbarstand waren antike Motoren aus dem Dampfmaschinenzeitalter ausgestellt. "Stuart Turner" stand
auf den Gusseisengehäusen, eine einzige kleine Zündkerze sass verloren obendrauf. Das waren keine Dampfmaschinen.
- Morgen hab ich Benzin dabei, dann mach ich jede Stunde eine an: sagte der Standbesitzer. - Ich hab sogar ein Boot
organisiert, für Probefahrten.
Lucy hatte schon die ersten Sägen verkauft.
- Mit den Leuten muss man reden. Man muss sie aufhalten, sonst sind sie wieder weg. Ich bringe sie zum Lachen,
dann hab ich sie auf meiner Seite: sagte sie zu mir. - Hallo Süsser, ich hab was für dich was du ewig lieben wirst: sagte sie zu einem
Kunden.
Ein Besucher stand vor meinem Boot.
- Sie sehn, ich mag kleine Boote: sagte ich. - Ein kleines Boot ist ein kleines Problem, ein grosses Boot ist ein grosses
Problem.
Ich bekam einen nachdenklichen Blick von Lucy.
- Boote oder Autos: sagte ich zu ihr. - Wir Männer brauchen immer was zum Spielen.
- Zum Spielen habt ihr doch uns: sagte Lucy. - Obwohl wir Frauen können total manipulativ sein. Sie strich sich
durch die blondierten Haare und zog sie im Nacken zusammen. - Ich hab doppelt soviel Haare wie ne Durchschnittsfrau: sagte
sie. - Schau nur. Rechts ein Haarschopf und links ein Haarschopf.
Der Wind harkte die Büsche hinter dem Zelt, liess das Segel flattern. Ich drückte Zelthaken in die Wiese, laschte das Boot daran fest. Ein
alter Mann mit rotem Gesicht und einem Schlapphut stand daneben.
- Sind Sie der Editor? fragte der Mann und hob seinen Wurzelstock. Die Sonne kam kurz heraus und liess die eisenbeschlagene
Spitze funkeln. - Ich hab nämlich ein ernstes Wort mit dem Editor zu reden.
- Der Editor ist - ääh- grad mal um die Ecke: sagte ich. - Der ist sicher in einer halben Stunde wieder da.
Ich verzog mich in die Nähe von Lucy, um mich hinter ihrem ausladenden Busen zu verstecken, wenn es ernst würde.
Am späten Nachmittag kam der Editor völlig erschöpft wieder und liess sich in den Campingstuhl fallen.
- Hab jede Menge Fotos, absolut genial: sagte er.
- Hast du die Bootsmakler gesehen? fragte ich.
- Die verkaufen historische Holzboote zwischen
dreitausendfünfhundert und fünfunddreissigtausend Piepen.
- Wer kauft wohl sowas? fragte der Editor.
- Unheilbare Nostalgiker: sagte ich. - Früher war mehr Lametta.
- Weisst du was? Für heute abend besorge ich Curry vom Inder und Bier: sagte der Editor.
- Sicher, das ist eine gute Grundlage für einen genialen Abend: sagte ich.
Zurück zur Einstiegsseite