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Ostfriesische Inseln - Teil 2
Die Inseln sind ein irritierendes Erlebnis. In der Strandhalle von Langeoog wird gleich morgens beim Aufschliessen
weichgespülte deutsche Schlagermusik angemacht.
- Auch hier gehören wir nicht zum Zielpublikum: sagte ich, und bestellte Milchkaffee mit Haselnussaroma.
Später ärgerte ich mich beim Einladen über zuviel nutzloses Gepäck.
- Ich dachte, Gummistiefel kommen an der Küste ubiquitär vor: beschwerte ich mich.
Stefan trug Neoprenfüsslinge mit leichter, eingearbeiteter Sohle.
Wir planten unsere Tagesetappen so, dass wir ungefähr bei Hochwasser im Ziel waren. Denn bei ablaufendem Wasser kann die Strömung so stark sein, dass sie unsere kleinen Boote durchs Seegatt zieht und wir uns draussen bei Helgoland wiederfinden. Das auflaufende Wasser sorgte in den Haffs und auf den flachen Sänden für eine kurze, chaotische Welle, Wind gegen Strom. Deshalb paddelten wir zunächst durch die Seegatts und setzten die Segel erst im Watt, bevor wir in die Priele einfuhren. Wir hielten uns ungefähr an die Pricken, mit Abkürzungen. Das Seitenschwert kam von selbst hoch, wenn das Wasser flach wurde. Dann gab der Vordermann laufend die Wassertiefe durch und hielt mehr auf die Pricken zu.
Die aktuelle Windvorhersage erhielten wir über windfinder.com. Stefan hatte ein kleines Luggersegel mit einem Reff dabei. Ab Langeoog briste es öfter auf F5 auf, auf die eklige Seite von F5, zum Glück von hinten. Dann musste Stefan aufpassen, dass sein kleines Boot nicht zu schnell wurde und in der Welle unterschnitt. Spontan erfand er die Paddelbremse oder nahm das Segel bei mehr Wind ganz weg. Sein Boot hatte eine Persenning über das vordere Drittel, die unterhalb des Süllrands festgeklettet war. Solange der Wind von hinten kam, kein Problem.
Mein Bermudasegel liess sich um den Mast herum stufenlos reffen. Ich ärgerte mich über das dazugelieferte Rigg: funktional, aber sperrig, schwer und schlecht zu stauen. Schliesslich laschte ich den viel zu langen Mastspargel seitlich auf dem Deck fest, wenn ich paddeln wollte. Ich dachte oft an ein handliches teilbares Carbonrigg für dieses Segel.
Das eingedecktes Segelkanu mit seinen breiten Enden und dem grosszügigen Kielsprung lief in der Welle
keine Gefahr, zu unterschneiden, und der niedrige Schwerpunkt beim Sitzen gab zusätzliche Stabilität. Das Boot blieb
durch die Holzabdeckungen auf dem Cockpit komplett trocken. Beim Paddeln hatte ich mit dem breiteren
Boot etwas mehr Arbeit als Stefan. Wir achteten unterwegs darauf, beide Boote dicht beieinander zu halten.
- Alles gut: sagte Stefan.
- Alles noch im grünen Bereich: bestätigte ich.
Wir passten aufeinander auf, und das war wirklich gut.
Auf Baltrum tranken wir zum Sonnenuntergang Bier auf der Terrasse, viel Bier, erst helles und dann
dunkles Bier aus grossen beschlagenen Henkelgläsern, damit uns die Wellen nicht in unsere
Träume folgen würden.
- Ausserdem ist es eine gute Dachbox: sagte Stefan.
Das hatte schon Bengt auf dem Kanubauertreffen in Bern gesagt. Ich hatte ihm beim Abladen geholfen:
sein MacGregor Segelkanu aus Mahagoni war zwischen vierzig und fünfzig Kilo schwer. Nicht unbedingt
das, was ich mir unter einer guten Dachbox vorstelle.
- Das ist bei uns anders: sagte Stefan. - Diese Plastikkanufahrer scheinen auch nicht zu begreifen, dass es
hervorragend leichte Boote gibt. Unsere wiegen zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Kilo. Mit einer
Persenning um den Süllrand sind sie auf dem Dachträger wasserdicht. Das macht sie zu einer perfekten Dachbox.
Und wenn die ganze Familie an den See in den Urlaub fährt, kann jeder spontan ein paar Stunden paddeln oder segeln,
eine kleine Auszeit auf dem Wasser.
Baltrum hat den Vorteil, dass die Insel so klein ist. Eigentlich liegt alles nur fünf Minuten voneinander entfernt. Sie gilt als Familieninsel, aber in der Nachsaison ist es eher die Insel der Fusskranken.
In Norderney leben richtige Leute, nicht nur Pensionswirte und Kurgäste. Deshalb sei ihnen auch verziehen, was sie mit der Seepromenade angestellt haben, die heutzutage wie Klein-Riviera aussieht. Die gesamte historische Architektur ist hinter eingeschossigen Buden mit Ladengeschäften verbaut, randvoll mit Ramsch. Vor dem Conversationshaus war gerade eine Lifestyle-Messe, da wurde das Zeug verramscht, das in den Läden keinen Platz mehr hatte.
- Auf Juist soll es inzwischen fast so mondän wie Sylt sein. Ich hab keine Idee, wo wir da schlafen können,
und der Abstand zum Festland wird immer grösser: sagte Stefan.
- Hm: sage ich. - Juist wird offenbar total überbewertet. Dann fahren wir morgen nach Norddeich, aufs Festland.
- Über diese Reise sollt man was schreiben: sagte Stefan.
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