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Ostfriesische Inseln - Teil 3
Nein. Dieser Bericht ist ungenügend. Wenn ich wirklich schreiben könnte, wäre alles
darin. Das graublaue Einerlei aus Himmel und Wasser in der Flaute auf dem Weg nach Langeoog, in dem sich die Insel
am Horizont auflöste, und ohne Pricken hätten wir uns sicher verirrt wie in der Wüste oder im Weltall,
wo nichts ist, woran man sich festhalten kann. Die grosse Freude des Ankommens wäre darin, wenn man zuerst
die Insel, dann die Hafeneinfahrt und dann die Stelle erkennt, wo man anlegen kann. Die Zufriedenheit, wenn man die
Boote ans Ufer
zieht und das Neoprenzeug auszieht. Die Freude über eine heisse Dusche, über heissen Tee aus der Thermoskanne.
- Die grösste Errungenschaft der christlichen Seefahrt: dass alle sechs Stunden Tee getrunken wird: sagte ich.
Ich hätte über das Hochgefühl des Segelns geschrieben, das Gefühl, einen Moment lang auf dem Wellenkamm in die
Unendlichkeit zu surfen. Über den Lauf der Sonne und des Mondes, Ebbe und Flut. Über den Himmel, der über dem
flachen Land so hoch und weit sein kann.
Über die Freude beim Aufbruch, in der man alles zurücklässt und sich und das Boot den Wellen anvertraut und dem Wind,
der hinter den Ohren pfeift, und dem blauen Himmel mit Zirren und ein paar kleinen Haufenwolken. Auf dem Meer sind die
Dinge immer einfach und klar, jenseits von richtig und falsch. Ich hätte über den Wechsel zwischen dem Wind und der
sonnig flirrenden Septemberwärme geschrieben, die in einer Dünensenke unverhofft zuschlägt. Über den Geschmack von
halbreifen Sanddornbeeren. Über den Sand zwischen den Zehen und das Salz auf den Lippen, salzige Tropfen vom
Paddel hochgeworfen, abends blieben sie als weisse Streifen auf den Armen. Ich
hätte über das Pferd geschrieben, es wartete mit der Nase im Staub wie jeden Tag am Bahnhof von Langeoog vor dem
Planwagen auf Gäste, vor allem über dieses Pferd, und den Leierkastenmann. Und über die Kirchen, in denen immer ein
Schiff über dem Altar hing, oder ein Steuerrad an der Wand.
- Schade dass von der historischen Architektur auf den Inseln so wenig übergeblieben ist: sagte Stefan. - Aus der
Zeit von Carruthers und Davies ist fast nichts mehr da.
- Nichts auf diesem Planeten bleibt wie es ist: sagte ich. - Schon gar nicht im Wattenmeer.
Aber ich finde, wenn man einen gekippt hat, sieht es wohl so aus wie es immer gewesen ist.
Es ist nicht schlimm, dass sich alles verändert. Wichtig ist nur, zu sehen und zu hören und zu verstehen und
seine Sache so gut
zu machen wie man kann. Dann ist in allem ein Hauch des Ganzen enthalten. Ich hätte wirklich mehr aus diesem Bericht
machen sollen. Trotzdem: es sind ein paar gute Sätze darin. Ein paar Sätze sind darin, die einmal gesagt
werden mussten.
- Du musst das Boot und die Ausrüstung gründlich in Süsswasser waschen. Sonst bekommst du das Salz nie mehr raus: sagte Stefan, als er mich zum Abschied umarmte.
Als er abgefahren war, ging ich noch einmal auf den Deich. Das Wasser lief noch auf. Die Wolken zogen als Schatten über das gekräuselte Meer und die hellen Sände. Unter den Böen war die See dunkler, mit beinahe metallischem Glanz. Da kreisten Möwen in der Luft. Ich wäre gern noch länger geblieben.
Quellennachweis
Herzlichen Dank an Stefan für Fotos auf diesen Seiten. An Claudia für den Transfer zurück nach Neuharlingersiel.
Und dem Seglerverein Langeoog einen grosses Dankeschön für die Nacht in der Halle.
Erskine Childers Roman "Das Rätsel der Sandbank" gibt es als Diogenes Taschenbuch, ISBN 3 257 20211 3.
Haftungshinweis
Große Reisen mit kleinen Booten können gefährlich sein. Exzellente Seemannschaft,
gepaart mit Vorsicht und der realistischen Einschätzung der
eigenen Möglichkeiten und Grenzen sind für den Erfolg solcher Unternehmungen entscheidend.
In diesem Revier sollte man nicht ohne Strömungskarten, Tidenkalender und einem guten aktuellen Wetterbericht
unterwegs sein.
Ich kann für Ihre eigenen Unternehmungen auf dem Wasser nicht haften!