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Mit dem Segelkanu rund um Elba - Teil 3

Mittwoch, 25.05.2011

NW 1-3, danach S 1-2, später N 4
Sonnig
Tagesetmal 35,2 km
Tagesdurchschnitt 4,5 km/h

Mit Gerd und Anne in Marina di Campo Ist heute der Tag der großen Tagesetmale? Erstmal werde ich von Gerd und Anne zum Frühstück eingeladen, Rosinenstuten mit Milch, denn wer weit kommen will muß auch ordentlich futtern. Der Abschied braucht Zeit. Dann schiebt mich ein Nordwest 1-3, nach West drehend, flott nach Osten. In der Ferne liegt Montechristo im Dunst, Dumas mystische Schatzinsel und Naturschutzreservat, Anlaufen ohne Genehmigung streng verboten, und Pianosa, die Gefängnisinsel. An der südöstlichen Ecke der Insel macht der Wind Pause und ich auch. Durch die Magnetitvorkommen herrscht hier ein magnetisches Feld, das früher manche Kompassnadel auf vorbeifahrenden Schiffen in Aufruhr versetzt haben soll. Heute gibt es die rostigen Reste einer stillgelegten Mine anzusehen - Land´s End-Feeling.

An der Südküste Elbas Ein leichter Süd 1-2 schiebt mich gemächlich bis in die Bucht von Porto Azurro. Es ist dunstig, schwül-warm. Altocumulus-Wolken über dem italienischen Festland zeigen mir, daß der Wind heute noch nicht fertig ist. Wie wäre es mit einem Abstecher in die Barbarossa-Bucht zum Schwimmen?
Der Campingplatz lockt, aber zum Einklarieren ist es noch zu früh. Ich strecke die Nase aus der Bucht und erwische plötzlich einen böigen Nord 4 zusammen mit einer kurzen steilen Dünung direkt von vorn. Stark gerefft patsche ich gegen die Wellen an, die Gischt fliegt und ich reite die Böen auf dem Seitendeck aus. Das Deck ist spritzwassernaß, aber die Cockpitabdeckungen halten das Boot trocken.
Als die entgegenkommenden Yachten nicht mehr grüßen sondern mich nur noch besorgt ansehen, stecke ich auf und fahre zurück in die Bucht, auf den Strand.

Hier lerne ich Robin kennen. Die schütteren weißen Flatterhaare täuschen. Robin ist unglaublich wach, mitteilsam und auf Draht. Seine Frau ist im letzten Jahr gestorben, und sein Hund, ein Struppi-Double, erholt sich gerade von einem Verkehrsunfall. Als echter Engländer weiß Robin, was ein Segelkanu ist, hat mich im Nu ausgefragt, hilft mir einklarieren und bietet mir heißes Teewasser an, zusammen mit einem Witz über die wichtigste Aufgabe eines Bürolehrlings, gebrauchte Teebeutel zum Trocknen auf die Leine zu hängen... Struppi ist leider an einem Wochenende unter die Räder gekommen und mußte zwei Tage auf die Operation warten. Das hat die Heilung ziemlich verzögert. "Never take your accident on a weekend", mahnt mich Robin ernsthaft. Das sind die wirklich wichtigen Ratschläge im Leben. Zwei Kameraden. Struppi wartet geduldig, bis ich aufgegessen habe und schleckt dann unbemerkt den Topf aus.

Donnerstag, 26.05.2011

O 1-2, danach W 3, nachlassend auf 0,5 - 1
Sonnig
Tagesetmal 33,8 km
Tagesdurchschnitt 4,4 km/h

Wenn man den ganzen Tag segelt, werden die Nächte bunt. Im Schlaf höre ich Stimmen der Vergangenheit und erinnere mich an alte Freundschaften. Ein Anruf, und sie leben wieder auf.

Pause am Südostkap Wo sind sie heute, die großen Distanzen? Ich verabschiede mich herzlich von Robin und Struppi und paddle - in die Flaute. Diesmal fahre ich entspannt dicht an den Klippen entlang. Sehe den Feigenkakteen an den Felswänden, den Möwen, der Macchia und den Reflexen der Sonne auf dem Wasser zu. Nach zwei Stunden rigge ich auf einem Strand nahe Rio Marina auf und drifte mit einem Ostwind 1-2 bis Capo Costello an der Nordostecke der Insel. Schlagartig pfeift mir ein giftiger West 3 entgegen. Reffen! Auf einen Kreuzkurs Richtung Portoferraio habe ich keine Lust, den Kurs zurück zum italienischen Festland kann ich anliegen - also los! Im offenen Wasser flaut der Wind ab. Ich reffe im Fahrwasser der Fähren aus und mache daß ich weiterkomme. Diese Dampfer sind unglaublich große kraftvoll schäumende Biester, verdammt schnell folgen sie dicht aufeinander. Ich möchte lieber nicht in ihre Nähe geraten.

Auf dem Kurs an Piombino vorbei wird der Wind immer leichter, wird zum flüsternden Hauch. Plötzlich erwische ich mich dabei, wie ich mir selbst zusehe
ganz weit von oben herab, in einem kleinen Kanu sitzt einer, hat alle Zeit der Welt, driftet einfach in der Sonne die italienische Küste entlang, denkt an gar nichts und hört der plätschernden Bugwelle und dem Röhren einer vorbeifegenden Millionärsyacht zu. Nicht ist wichtig, nichts ist eilig
und bin erfolgreich entschleunigt endlich im Urlaub angekommen. Alle Probleme der letzten Wochen sind im Kielwasser verschwunden. Mehr kann man nicht erwarten.

Auf dem Strand, 12 Kilometer nördlich von Piombino Am späten Nachmittag hebe ich das Boot allein auf die Schulter und trage es einfach die Stufen hinauf, auf den Feldweg. Es erwartet mich ein märchenstiller Campingplatz, wochentags, Vorsaison. Das Teewasser summt in der Dämmerung, die Vögel pfeifen und der Kiefernhain duftet nach Harz. Auf einem Tisch ein Stilleben aus umgekippten Bierflaschen und den Resten einer feuchtfröhlichen Familienparty. Langstreckenrekorde? Ja sicher, ein anderes Mal. Das Glück kommt plötzlich mit der Dunkelheit und ist kaum auszuhalten. Ich strecke mich in meinem Kanu aus und nehme das Schaukeln der Wellen mit in meine Träume. Es wird nicht die letzte Fahrt gewesen sein.

Infos

Boot und Ausrüstung: Sportliche Paddler können ebenso gut mit dem Kajak in drei Tagen um die Insel herumpaddeln. Mit einer Jolle oder einer Yacht ist Elba ein guter Ausgangspunkt, um andere Inseln des Toskanischen Archipels zu erforschen: die benachbarten Inseln Capraia, Giglio, Giannutri und die toskanische Küste bis nach Korsika und Nordsardinien mit den Maddalenen. Zahllose kleine Buchten laden zum Ankern ein.
Sicherheit: Für eine Bootsreise verwende ich Kleidung, die auch wärmt wenn sie naß ist: Neopren. Deck und die Cockpitabdeckungen halten das Boot trocken, Auftriebskörper lassen es im Fall einer Kenterung hoch aufschwimmen. Neben einer eingeübten Kenterroutine bestimmen die eigenen seemännischen Fähigkeiten, aber auch die Kenntnis der eigenen und der Grenzen des Bootes den Erfolg einer Reise entscheidend.
Reisezeit: Im Frühjahr ist die Insel schön grün, im Herbst sind die Wassertemperaturen noch mild. In der Hauptsaison zwischen Anfang Juni und Ende August ist die Insel leider sehr voll.
Wind und Wetter: Unbedingt den Wetterbericht beachten. Zwischen Starkwindperioden gibt es immer wieder schönes Wetter - für einige Tage oder sogar Wochen.
Navigation: Die Kompass-Wanderkarte "Isola d'Elba", ISBN 978-3-85491-272-9 zeigt alle Strände und Campingplätze und ist für die Navigation mit einer Jolle ausreichend.
Verpflegung: Sehr einfach. Kleine Supermärkte gibt es in der Nähe der ortsnahen Strände. Mehrere Campingplätze haben kleine Läden. Jede Menge Restaurants.
Besonderheiten: An Land gibt es viel zu unternehmen. Sehr nützlich war der Reiseführer "Elba und der Toskanische Archipel", ISBN 978-3-89953-544-0 von Sabine Becht.

Haftungshinweis

Große Reisen mit kleinen Booten können gefährlich sein. Exzellente Seemannschaft, gepaart mit Vorsicht und der realistischen Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen sind für den Erfolg solcher Unternehmungen entscheidend. Ich kann für Ihre eigenen Unternehmungen auf dem Wasser nicht haften!

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